Physiknobelpreis 1998: Robert Laughlin — Horst Ludwig Störmer — Daniel Chee Tsui

Physiknobelpreis 1998: Robert Laughlin — Horst Ludwig Störmer — Daniel Chee Tsui
Physiknobelpreis 1998: Robert Laughlin — Horst Ludwig Störmer — Daniel Chee Tsui
 
Die Amerikaner Laughlin und Tsui undder Deutsche Störmer wurden fürihre Entdeckung einer neuen Art von Quantenflüssigkeit mit fraktionellgeladenen Anregungen ausgezeichnet.
 
 Biografien
 
Robert Laughlin, * Visilia (USA) 1. 11. 1950; 1979 Promotion, seit 1989 Professor an der Stanford University in Palo Alto (Kalifornien).
 
Horst Ludwig Störmer, * Frankfurt am Main 6. 4. 1949; 1977 Promotion an der Universität Stuttgart, ab 1977 an den Bell Laboratories in Murray Hill (New Jersey), dort 1992-98 Leiter des physikalischen Forschungslabors, seit 1998 auch Professor an der Columbia University in New York.
 
Daniel Chee Tsui, * Henan (China) 28. 2. 1939; 1967 Promotion an der Chicago University, 1968-81 am Forschungslabor der Bell Laboratories in Murray Hill (New Jersey), seit 1982 Professor an der Princeton University (New Jersey).
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Die drei Wissenschaftler haben ganz ohne teure Teilchenbeschleuniger gearbeitet. Ihre Erforschung des Quanten-Hall- oder auch Klitzing-Effekts hat das Verständnis der Materie wesentlich erweitert. Für diese außergewöhnliche Leistung wurden sie ausgezeichnet.
 
1879 hatte der Student Edwin Herbert Hall in den USA den nach ihm benannten Effekt entdeckt: Wirkt senkrecht zu einem stromdurchflossenen Leiter ein Magnetfeld, werden die Elektronen senkrecht zu den elektrischen und magnetischen Feldlinien abgelenkt. Es baut sich eine Potenzialdifferenz, die Hall-Spannung, auf, die der Ablenkung entgegenwirkt. Die Spannungsdifferenz steigt gewöhnlich linear mit der Stärke des Magnetfelds an. Der Hall-Effekt wird unter anderem dazu genutzt, Magnetfelder auszumessen.
 
 Hall legte den Grundstein
 
Hall hatte seine Experimente bei Zimmertemperatur durchgeführt. Es standen ihm nur schwache magnetische Feldstärken zur Verfügung. Klaus von Klitzing (Nobelpreis 1985) war in den 1970er-Jahren technisch besser ausgestattet. Als er MOSFETS (Metalloxid-Silicium-Feldeffekttransistoren) untersuchte, entdeckte er den quantisierten Hall-Effekt. Seine Proben waren so dünn, dass sie die Elektronen in eine zweidimensionale Bewegung zwangen. Diese Schichten kühlte er auf 4 Kelvin ab und setzte sie Magnetfeldern von bis zu 14 Tesla aus. Entgegen den Erwartungen stieg der Hall-Widerstand mit zunehmender Magnetfeldstärke nicht linear an, sondern nahm stets sprunghaft zu.
 
Die Sprünge sind unabhängig vom Material und, innerhalb bestimmter Feldstärken, auch von der Stärke des Magnetfelds. Die Sprunghöhe hängt direkt vom Verhältnis des Planck'schen Wirkungsquantums zur Elementarladung ab. Hinzu kommt ein Füllfaktor, der eine ganze Zahl ist. Der sich ergebende Term wird als von Klitzing-Konstante bezeichnet. Das Phänomen ist auf die Quantisierung der Elektronenbewegung zurückzuführen.
 
Um sein zweidimensionales Elektronengas zu erzeugen, schloss er seine Grenzschicht zwischen zwei hochreinen Halbleiterkristallen ein. Durch die starke Abkühlung erreichte von Klitzing, dass sich die Elektronen in der Fläche frei bewegen können. Das die Fläche senkrecht durchdringende starke Magnetfeld zwingt die Elektronen auf diskrete Kreisbahnen, die so genannten Landau-Niveaus, um die Feldlinien. Sind genug Elektronen vorhanden, um alle möglichen Kreisbahnen zu besetzen, tritt bei Erhöhung der Magnetfeldstärke im Hall-Widerstand ein Plateau auf. Der Sprung zur nächsthöheren Widerstandsstufe wird erreicht, wenn die Elektronen auf die nächstkleinere Kreisbahn gezwungen werden.
 
 Von Klitzing bereitete den Weg
 
Noch bevor von Klitzing vom Nobelkomitee ausgezeichnet wurde, begannen Störmer und Tsui Halls Experimente nachzuvollziehen. Der amerikanische Physiker Eugene Wigner (Nobelpreis 1963) hatte vorausgesagt, dass ein zweidimensionales Elektronengas nahe dem absoluten Nullpunkt ein Elektronenkristall bildet. Das interessierte die beiden Forscher. Sie kühlten eine Galliumarsenidschicht, die als zweidimensionale Grenzschicht betrachtet werden kann, auf unter 1 Kelvin ab und legten ein Magnetfeld der Stärke von 30 Tesla an. Das entspricht dem Millionenfachen des Erdmagnetfelds. Unter diesen Extrembedingungen bewegen sich die freien Elektronen auf ballistischen Bahnen, das heißt, sie werden über relativ große Strecken nicht an Atomen gestreut. Vollkommen überraschend fanden sie eine ganz neue Stufe im Hall-Widerstand. Von Klitzing hatte Plateaus von Hall-Widerständen ausschließlich bei ganzzahligen Werten (eins bis zwölf) des Planck'schen Wirkungsquantums gefunden. Störmer und Tsui registrierten jedoch Brüche. Zuerst fanden sie ein Plateau mit dem Wert 1/3, später auch 2/5, 3/7 oder 4/9 der Elementarladung.
 
Die Ergebnisse passten nicht zu von Klitzings Ergebnissen und ließen sich auch theoretisch nicht deuten. Der von-Klitzing-Effekt kann mit dem Übergang einzelner Elektronen von einem Energieniveau zum anderen erklärt werden, ähnlich den Niveaus in den Atomhüllen. Weitere Energieniveaus waren deshalb nur mit gebrochenen Elementarladungen zu verstehen. 1983 deutete Laughlin diesen fraktionierten Quanten-Hall-Effekt so, dass die extrem niedrigen Temperaturen und das starke Magnetfeld die Elektronen in einen neuen Zustand zwingen. Sie kondensieren zu einer Art Quantenflüssigkeit, in der sie sich nicht mehr individuell verhalten, sondern kollektiv wechselwirken. Elektronen sind Fermionen, die nach dem Pauli-Verbot nicht gleichzeitig denselben Quantenzustand einnehmen können. Nach der BCS-Theorie nehmen sie bei extrem tiefen Temperaturen in Supraleitern einen paarweise gebundenen Zustand ein. Sie bilden Cooper-Paare, die als Bosonen dem Pauli-Verbot nicht mehr unterliegen.
 
 Laughlin und der Flussquant
 
Laughlin zeigte anhand der quantenmechanischen Berechnung des Stromflusses im Galliumarsenid, dass auch der entstehende magnetische Fluss quantisiert ist. Seine kleinste Einheit ist das Flussquant oder Fluxon. Da die einzelnen Elektronen nicht willig seien zu kondensieren, würden sie sich zunächst mit den Flussquanten des magnetischen Felds verbinden und so zu Bosonen werden, die kondensieren können. Betrachtet man ein einzelnes Elektron zu einem bestimmten Zeitpunkt, sind mehr Flussquanten als Elektronen vorhanden. Kommen gerade drei Flussquanten auf ein Elektron, verliert der Füllfaktor seine Ganzzahligkeit. Er nimmt in diesem Fall den Wert 1/3 an. Es entsteht eine Art Quasiteilchen mit gebrochenem Elementarladungswert. Bei diesen Quasiteilchen handelt es sich nicht um Teilchen im eigentlichen Sinne, sondern um das Ergebnis des kollektiven Verhaltens der Quantenflüssigkeit. Elektronen und Flussquanten vereinigen sich zu einem energetisch günstigeren Zustand. Nach Laughlins Vorstellung kondensieren sie zu einem Vielteilchensystem, das sich wie eine Flüssigkeit verhält. Mittlerweile ist Laughlins Theorie experimentell bestätigt worden.
 
Die Bedeutung der Arbeiten ist kaum zu überschätzen. Tord Claeson vom Nobelkomitee meinte anlässlich der Preisverleihung: »Die praktischen Auswirkungen Ihrer Entdeckung verstehen wir vielleicht erst in 50 Jahren.«
 
U. Schulte

Universal-Lexikon. 2012.

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